schmerzende Nackenverspannung

Kreuzschmerz im Homeoffice

Plötzlich Homeoffice- die Überraschung war groß, als vor knapp 2 Jahren im Zuge der Pandemie unzählige Angestellte von zu Hause aus arbeiten mussten.

Einige haben vielleicht jahrelang darum gekämpft, mit dem Ziel das Leben (glaubt man!) flexibler gestalten zu können.

Und plötzlich ist diese Möglichkeit oder besser Verpflichtung seine Arbeit von zu Hause aus zu erledigen da, quasi von einem Tag auf den anderen.

Man denke frohen Mutes an den Stau, den man von nun an auf dem Weg zur Arbeit nicht mehr ausgesetzt ist oder man ist nicht mehr abhängig vom Zugverkehr wo vielleicht der eine oder andere Termin aufgrund von Ausfällen und Verspätungen gecancelt werden musste. Klingt erstmal sehr verlockend.  Die Realität sieht aber in vielen Fällen anders aus.

Das Privileg eines eigenen Büroraumes ist keine Selbstverständlichkeit – wohin nun mit dem Laptop und all den Arbeitsunterlagen. Oft muss hier der Küchen- oder Wohnzimmertisch herhalten. Als Sitzgelegenheit, auf der man mehrere Stunden täglich (!) 5 Tage in der Woche verbringt dienen der Küchensessel oder gut und gerne auch das Sofa. Daneben sind die Kids zu versorgen, welche den Lockdown oder die Quarantäne im Homeschooling verbringen bzw. bespaßt werden wollen, weil der Kindergarten gerade geschlossen hat. Wenn das WLAN aufgrund der übermäßigen Nutzung noch überlastet ist, ist die Katastrophe perfekt.

Kreuzschmerz im Homeoffice

Zu allem Überfluss gesellt sich ein weiterer unerwünschter Gast zum Homeoffice Dilemma dazu – der Rückenschmerz. Und damit ist man bei weitem nicht alleine. Ein beträchtlicher Prozentsatz der im Homeoffice arbeitenden Bevölkerung hat zunehmend mehr mit Rückenschmerzen zu kämpfen.

Meist kommt er schleichend, fängt als kleine unscheinbare Verspannung im Nacken oder der Lendengegend an oder es trifft einen mit voller Wucht. Eine blöde Drehbewegung beim Aufstehen vom provisorischen Arbeitsplatz (sprich: dem stylischem aber ergonomisch völlig ungeeigneten Sofasessel) und ein reißender Schmerz fährt wie ein Blitz ins Kreuz. Dabei arbeitet man „eh nur“ von zu Hause aus…

Wie kommt es zu so einem massiven Anstieg der Kreuzschmerzproblematik im Homeoffice? Und viel wichtiger – wie wird man diesen ungebetenen Gast los? Und was kann man tun, dass er nicht bei nächster Gelegenheit wiederkommt?

Die optimale Umgebung schaffen

In erster Linie ist es wichtig, den gemütlich anmutenden Sofasessel aus dem Homeoffice -Alltag zu verbannen. Ideal wäre ein eigener Raum mit natürlichem Licht – wenn dies nicht möglich ist, sollte die Kunstlichtquelle ausreichend hell sein. Zu beachten ist, dass Lampenlicht in unterschiedlichen Weißtönen genutzt werden kann. So wirkt blaues kaltes Tageslicht belebend und leistungssteigernd. Wird dieses aber abends oder nachts eingesetzt kann es evtl. zu Schlafproblemen kommen. Wärmeres, gelblicheres Licht wirkt beruhigend und dämpfend.

Bei Platzmangel bietet es sich an, im Wohnraum einen Ort zu suchen, welcher möglichst wenig frequentiert ist. Klare Regeln helfen den Arbeitsalltag zu organisieren, z.B. dass man in einer gewissen Zeitspanne nicht gestört werde möchte, um sich adäquat auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Hierbei kann eine räumliche Abgrenzung mittels zusammenklappbaren Paravent genutzt werden. Wichtig ist es, einen für sich möglichst geschützten Raum zu schaffen, der von anderen Familienmitgliedern akzeptiert und auch entsprechend respektiert wird (Kinder brauchen dafür natürlich ein gewisses Alter.)

Das Herrichten und Abbauen des Arbeitsplatzes sollte idealerweise zu einem kleinen Ritual werden um sich vom „zu Hause- Alltag“ abgrenzen zu können. Dies fördert den Fokus und die Konzentration. Auch andere Gewohnheiten wie beispielsweise der Dresscode in der Arbeit sollten durchaus beibehalten werden.

Wenn ein eigener Raum zur Verfügung steht, sollte dieser am Ende des Tages wie „nach der Arbeit“ entsprechend verlassen werden.

Was fehlt? Die Ausgleichsbewegung!

Auf dem Weg in die Arbeit muss man zwangsläufig immer außer Haus – und hier haben wir schon einen ganz essentiellen Faktor, welcher den Homeoffice bedingten Kreuzschmerz begünstigt – der Mangel an Bewegung.

Dabei ist nicht sportliche Aktivität oder Training (zu diesem Punkt komme ich später) gemeint, sondern die Ausgleichsbewegung, die in jedem beruflichen Alltag stattfinden sollte.

Es ist ein großer Unterschied ob sich der Bewegungsradius vom Bett bis in die Küche und bestenfalls bis zum Homeoffice Arbeitsplatz erstreckt oder ob ich außer Haus muss, selbst wenn es nur die 200m in der Frischluft bis zum Auto oder zur Straßenbahnstation sind. Hinzu kommen vielleicht noch die 2 Stockwerke ins eigene Büro, welche im optimalen Fall zu Fuß absolviert werden.

Zwischendurch hole ich mir meinen Lieblings Cappuccino mit einem/einer Kollegin- erneut 300m wertvolle Ausgleichsbewegung, welche mich aus der rigiden Sitzhaltung zwingt. Das alles fällt beim Homeoffice weitgehend weg.

Bewegung in den Alltag einbauenDiesen Umstand kann man ändern. Dazu lohnt es sich bewusst VOR Beginn des Homeoffice eine Runde um den Häuserblock zu spazieren und etwas Frischluft zu schnappen (Dauer 5 bis 10 min). Dies bringt einen klaren Kopf und fördert die Leistungsfähigkeit.

Meinen „Zwischendurchsnack“ genieße ich auf der Bank im kleinen Park um die Ecke oder im eigenen Garten (natürlich nach einer weiteren Runde Spaziergang von der Dauer von 5 min).

Optimierung der Ergonomie am (Homeoffice) Arbeitsplatz

Wie sieht denn ein ergonomisch korrekter Arbeitsplatz eigentlich aus? Ist ein solcher im Homeoffice überhaupt möglich? Ja, ist es! Hierzu einige wichtige Kriterien:

Sessel und Tisch sollten so beschaffen sein, dass man aufrecht mit einem (ungefähren) rechten Winkel in Knie und Hüfte mit den Füßen hüftbreit am Boden platziert sitzen kann. Der Oberkörper sollte aufrecht sein. Hilfreich ist es, sich aus einer Decke/Pullover eine kleine Rolle zu formen, welche zwischen Sessel und Lende platziert wird, um die natürliche Lendenlordose, also die natürliche Krümmung der Lendenwirbelsäule, zu stützen. Hier muss man etwas ausprobieren, wie groß die Rolle sein sollte.

Der Rücken sollte aufrecht gehalten werden, die Halswirbelsäule sollte aufrecht und der Kopf nicht in Protraktion (Kopf wird nicht über der Wirbelsäule gehalten, sondern nach vor geschoben) gehalten werden. Der Blickwinkel zum Bildschirm sollte ca. 10 bis 15° nach unten betragen.

ergonomische Sitzposition

Des Weiteren sollte der Nutzung des Laptops die Nutzung des Standmonitors definitiv vorgezogen werden, da sich mit diesem gute ergonomische Bedingungen besser einstellen lassen.

Sollte nur ein Laptop zur Verfügung stehen, lohnt es sich, in eine externe Tastatur mit einer Handballenauflage zu investieren, die an den Laptop angeschlossen wird. So kann man einem Karpaltunnelsyndrom oder Sehnenscheidenentzündungen vorbeugen.

Auch die Verwendung einer ergonomischen Maus – einer s.g. Vertikalmaus – ist in diesem Zusammenhang u.a. zur Vorbeugung eines Tennisellbogens empfehlenswert.

Eine Laptop Halterung dient der korrekten Monitorpositionierung und schafft einen optimalen Blickwinkel.

Beispiel eines ergonomischen Homeoffice Arbeitsplatzes

Beispiel eines ergonomischen Homeoffice Arbeitsplatzes

Stichwort Bewegungsroutine und Basistraining

Eine gesunde Bewegungsroutine ist für den Bewegungsapparat unumgänglich – egal ob Homeoffice oder nicht Homeoffice. Unsere Wirbelsäulen, nein unser ganzer Körper und wir als menschliche Wesen brauchen ein gewisses Maß an Bewegung. Das ist so und das ist nicht verhandelbar. Schonung ist wenn, nur in der Akutphase angezeigt, niemals dauerhaft.

„Oh mein Gott, Bewegung“ denken jetzt sicher viele Leser oder „Nicht schon wieder so ein Bewegungsmoralapostel…“ vielleicht manch anderer.

Mit Bewegung meine ich kein Marathontraining, auch kein stundenlanges Ausdauertraining oder tägliche 60 minütige Krafttrainingseinheiten – weit gefehlt.

Mit Bewegung oder in diesem Fall Basistraining meine ich ein individuell auf meine Bedürfnisse und ggf. körperlichen Einschränkungen (man denke hier an Menschen mit besonderen Bedürfnissen) abgestimmtes Bewegungsprogramm, welches am besten mit einem Physiotherapeuten oder professionellem Trainer erarbeitet wird.

Das ist vielleicht am Anfang gewöhnungsbedürftig, aber einmal etabliert, ist es aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Außerdem eignet sich Bewegung optimal um ein bisschen Dampf abzulassen, sprich den Adrenalinüberschuss eines stressigen Tages abzubauen, welcher sich sonst in lästigen und schmerzhaften Rückenverspannungen äußern kann.

Viele Patienten scheitern hier im Alleingang, da sie aus meiner Erfahrung zu oft zu radikal in eine viel zu anspruchsvolle Trainingsroutine starten, die ein primär untrainierter Körper nicht aushalten kann.

Als negativer Nebeneffekt können sich bestehende Beschwerden sogar verschlimmern. Dann werde ich mit Aussagen wie „wenn ich Sport mache, habe ich viel mehr Schmerzen“ konfrontiert.

Muskeln der WirbelsäuleFür die Wirbelsäule essentiell wichtig ist es, die wirbelsäulennahe Haltemuskulatur (das ist die kleine Muskulatur, die direkt an den Wirbelkörpern ansetzt- auch autochthone Rückenmuskulatur genannt) aufzubauen. Diese ist neben Stärkung von Bauch- und Beckenbodenmuskulatur die absolute Basis für jede weitere sportliche Aktivität. Deswegen ist anfangs eine professionelle Begleitung unbedingt von Nöten, um diese Muskulatur korrekt aktivieren zu können. Nicht umsonst ist die Trainingstherapie der Wirbelsäule erwiesenermaßen eine wichtige Methode zur Linderung des chronischen Kreuzschmerzes.

Behandlungsmöglichkeiten bei Kreuzschmerzen

In meiner Ordination halte ich es so, dass ich zu Beginn einer Behandlungsserie meist eine Physiotherapie genau zu diesem Zweck mit Etablierung eines Heimübungsprogrammes verordne. Hier handelt es sich um ca. 10 Einheiten, in welchen das individuell abgestimmte Programm gut erlernt werden kann, damit es dann korrekt im Alltag umgesetzt werden kann.

Das Tolle an diesem Trainingsprogramm: Man kommt mit einer sehr geringen „Dosis“ aus, das heißt beispielsweise 3 bis 4 Mal pro Woche 10 bis 15 min (!) die erlernten Wirbelsäulenübungen als Basis durchführen. Dies reicht in den meisten Fällen.

Wenn die Rückenbeschwerden so intensiv geworden sind, dass diese einer ärztlichen Behandlung bedürfen, arbeite ich mit sehr gutem Erfolg mit manuellen Therapiemethoden und der Stoßwelle zur Lockerung der verspannten Muskulatur sowie mit der Ohrakupunktur.

Stoßwellentherapie

In den meisten Fällen (ca. 80%) handelt es sich um einen sogenannten „unspezifischen Rückenschmerz“. Dies bedeutet, dass in der Regel keine Hinweise auf eine eindeutige Ursache wie z.B. einen relevanten Bandscheibenvorfall (relevant deswegen, da 70 % der erwachsenen Bevölkerung Bandscheibenvorfälle hat, die jedoch keine Schmerzen verursachen und daher nicht behandlungsrelevant sind), Wirbelgeleiten, einen Wirbelbruch etc. bestehen.

Im Falle eines Bandscheibenvorfalls mit entsprechenden muskulären und sensiblen Ausfallserscheinungen welche meist mit einer massiven Schmerzsymptomatik einhergehen, hat sich die ultraschallgezielte Infiltration mit Cortison bewährt.

Bei chronischen Rückenschmerzes stehen ACP (Eigenblut) Injektionen, gezielte manuelle Behandlungen, Ohrakupunktur und die oben erwähnte Etablierung einer gesunden individuell abgestimmten Bewegungsroutine zur Auswahl.

Abschalten lernen

Nicht zuletzt empfehle ich jedem Patienten eine gewisse mentale Hygiene, welche gut durch Atemübungen, autogenes Training oder der progressiven Relaxation nach Jacobson erreicht werden kann. Auch Therapieyoga ist hier ein sehr wertvolles Tool. Leider wird die Effektivität dieser Therapiemethode nach wie vor stark unterschätzt.

Der Stresslevel wird gesenkt und der Parasympathikus aktiviert, was wiederum das vegetative Nervensystem beruhigt. Die Schmerzschwelle wird gehoben und die zentrale Schmerzverarbeitung ungemein positiv beeinflusst.

Mentales Training trägt neben der ergonomischen Optimierung des Arbeitsplatzes, Bewegung an der frischen Luft und der individuell abgestimmten Trainingsroutine maßgeblich zur Behandlung und Vorbeugung von wiederkehrenden Kreuzschmerzproblematiken bei.